Im Rosengarten meines Herzens
Sufis - Rosen - Nachtigallen und Einhörner
Von Rahmana Dziubany: Artikel für die Zeitschrift "Kreise ziehen" März 2006:
„Morgens ging ich in den Garten,
eine Rose mir zu pflücken,
heimlich und in Furcht,
der Gärtner könnte mich dabei erblicken,
doch es waren seine Worte
köstlich über mein Erwarten:
„Nicht die Rose nur allein,
ich schenke dir den ganzen Garten!“
(Mevlana Jellaludin Rumi)
Die Rose - geliebt von Dichtern in aller Welt - ist für die Sufis der höchste Ausdruck religiöser Erfahrung; die rote Rose ist gleichsam die Manifestation von Gottes Glorie. Sie scheint am vollkommensten die göttliche Schönheit darzustellen. Und welcher Vogel kann am vollkommensten die Musik der himmlischen Sphären auf Erden widerspiegeln - es ist die Nachtigall. Sie ist es, die in der persischen und türkischen Dichtung als Seelenvogel erscheint, als Symbol der sehnsüchtigen Seele, die für alle Zeiten gelobt, die Rose zu lieben. Bei den Dichtern Irans im 11. und 12. Jahrhundert begegnen wir in Lobgesängen auf die Liebe immer wieder aufs neue der Rose und der Nachtigall:
„Seht gut hin; denn das Herz ist der Marktplatz Seiner Liebe; von dort stammt die Rose Adams auf dem Zweige der Liebe aus der Farbe der Manifestation Seiner Rose. Wenn die Nachtigall“ Geist“ berauscht wird von dieser Rose, wird sie mit dem Ohr der Seele den Gesang des Vogels ALASTU („Bin Ich nicht euer Herr?“) im Quellplatz der Urewigkeit vernehmen.“
Spätere Sufis erklärten ihre Liebe zur Rose mit folgenden Geschichten „Wenn der Prophet eine Rose sah, küsste er sie, legte sie auf seine Augen und sagte „Die rote Rose ist ein Teil von Gottes Glorie.“ Prof. Dr. Annemarie Schimmel, die große Islam- und Sufismuskundige weiß um eine andere bekannte Überlieferung, bei der die Rose aus dem Schweiß des Propheten geschaffen wurde, der während seiner Himmelsreise zu Boden fiel und deshalb zur kostbarsten Blume auf der Welt wurde. Weil Mohammed die Rose so sehr liebte, bezeichneten ihn auch viele Dichter als „Nachtigall des ewigen Gartens“ - denn er entschleiert uns etwas vom Geheimnis Gottes - der ewigen Rose.
Hazrat Inayat Khan (1882-1927),einer der herausragendsten Musiker und Mystiker der Neuzeit und der erste, der den Sufismus in die westliche Welt brachte, bedient sich der Rose als Sinnbild für die Entfaltung unserer Seele und sagt in seinen Lehrreden: „...Die Seele kann mit der Rose verglichen werden - so wie eine Rosenknospe erblüht, entfaltet sich die Seele. Damit die Rosenknospe erblühen kann, braucht sie fünf Bedingungen: fruchtbare Erde, helles Sonnenlicht, Wasser, Luft und Raum. Die gleichen fünf Dinge braucht es auch zur Entfaltung der Seele. So wie der Rosenbusch fruchtbare Erde braucht, um gedeihen zu können, braucht das Kind vom Moment seiner Geburt an Erziehung nach einem spirituellen Ideal. Wird dieser wichtigste Teil der Erziehung einem Kind vorenthalten, nimmt man den Wurzeln der Rose die Erde........
Das Wasser, was die Rose nährt, ist die Liebe. Wenn die Liebe im Leben fehlt, kann intellektuelles Wissen und die Sehnsucht nach Wahrheit noch so groß sein, der Mensch kann sich nicht entwickeln..........
Was nimmt im menschlichen Leben den Platz der Sonne ein, sowie die Sonne der Rose zum Wachstum verhilft? Es ist die Intelligenz. Nicht jeder mag intelligent erscheinen, aber die Seele selbst ist Intelligenz. Wenn die Intelligenz verschleiert wird durch Eindrücke, Ideen dieser Erde, wird sie ertränkt, begraben. Wird sie hingegen enthüllt, erstrahlt sie wie die Sonne. Dies ist die Mission Buddhas......die reine Intelligenz zu entdecken, die Jenseits von Verstand ist und die Essenz in jeglichem Verstand ist.
Der Platz, den die Luft im Wachstum der Seele einnimmt ist dieser: Luft steht symbolisch für die Inspiration, die das Herz erreicht, welches bereit ist. Es ist nicht das äußere Lernen, was die Seele zur Entfaltung hebt, sondern die Inspiration.
Der Raum, den ein Rosenbusch braucht, um wachsen zu können, ist gleichbedeutend mit einer offenen Lebenseinstellung. Ein Mensch mag hundert Jahre leben, aber mit Engstirnigkeit wird er niemals das Licht sehen. Um das Leben klar zu sehen, sollte man ihm offen gegenübertreten......
Wie erkenne ich das Wachstum der Seele.....? Die Seele wird wie eine Rose und zeigt Qualitäten der Rose. So wie eine Rose aus vielen Blütenblättern besteht, so zeigt der Mensch, dessen Seele sich zu entfalten beginnt viele verschiedene Qualitäten. Diese Qualitäten verströmen ihren Duft in Form einer spirituellen Persönlichkeit. Die Rose hat eine wunderschöne Struktur und die Persönlichkeit deren Seele sich entfaltet zeigt auch eine feine Struktur: im Verhalten, im Umgang mit anderen, in Sprache, in Handlung. Die Atmosphäre eines spirituellen Wesens durchdringt die Luft wie der Duft einer Rose.
Die Rose trägt Samen in ihrem Herzen und so tragen entwickelte Seelen in ihrem Herzen den Samen der Entwicklung, der viele neue Rosen schafft. Die Rose blüht und vergeht, aber die Essenz der Rose lebt weiter und behält den Duft, den die Rose in ihrer vollen Blüte hatte. Menschen, die diese Stufe des Bewusstseins berührten, mögen nur eine begrenzte Zeit auf der Erde leben, aber die Essenz, die sie hinterlassen wird tausend und abertausend Jahre weiterleben und dieselbe Freude verströmen wie einst die Rose.“
„Komm, komm, wer auch immer du bist, die Karawane schließt niemanden aus, auch wenn du deine Schwüre brachst, vielleicht zehntausendmal, komm, komm noch mal...“ Zu diesen bekannten Worten Rumis werden wir auf dem diesjährigen Unicorncamp singen und tanzen. Wenn du mit deinem Herzen den Ruf der Karawanenglocke hörst, bist du eingeladen mit zu ziehen in die Rosengärten - den Duft der Rosen einzufangen.
Dabei hilft uns die Erde - wenn wir campen und leben in freier Natur unter dem weiten offenen Himmel in unserem kleinen Zeltdorf, barfuss auf der Wiese tanzen.....und die Tänze des Universellen Friedens uns Weisheit, Tiefe, Einsicht, Musik, Gesang aus allen Winkeln dieser Erde bringen.......
Dabei beglückt uns die Sonne, deren Lauf wir verfolgen, wenn wir morgens zur Frühmeditation gehen bis hin zu ihrem Untergang, wenn die Unicornband aufspielt und Barbara Besser uns zeigt wie die verschiedenen Völker das Tanzbein schwingen.
Dabei freuen wir uns auch an dem Wasser, sei es als warmer Sommerregen, der auf unsere braune Haut oder die Zeltdächer prasselt, oder bei dem Genus der Freilandduschen - heiße Duschen unter freiem Himmel mit Blick auf grüne Wiesen, wo es schon mal vorkommen kann, wie es mir im letzten Jahr passierte, dass sich beim gegenseitigen schwesterlichen Rückeneinseifen neue Bekanntschaften auftun.
Auch die Luft ist unsere Freundin - als Wind, der uns Erfrischung schenkt, als Atem, den wir atmen, für uns oder in der Gruppe, wenn wir stehen Hand in Hand, Herz zu Herz im Kreis, die gesungenen Mantren verklingen und wir die Gebete und guten Wünsche nicht nur uns selbst widmen, sondern über den Atem der ganzen Erde schenken - zum Wohle aller Wesen.
Zuletzt der Raum, den wir brauchen, um zu Sein, zu Wachsen und zu Blühen, ja der Raum ist da, es ist nicht schwer auf weitem Feld unter dem endlosen Himmel mit bunten Kindern und vielen singenden und tanzenden Menschen sich gegenseitig zu inspirieren, zu beflügeln, aufzutanken für die Zeit, wenn die Karawane sich wieder auf den Heimweg macht und in die asphaltierten Städte zieht. Aber noch ist es nicht so weit...steig auf, komm mit, wenn du magst, die Nachtigall singt schon.
22.Juli - 1. August „Im Rosengarten meines Herzens“ heißt der diesjährige Tanzworkshop von Rahmana auf dem Unicorncamp. Wir arbeiten mit den universellen Friedenstänzen, Sufi-Liebeslyrik, Planetengängen und Zikhr, um unseren eigenen Rosengarten besser kennenzulernen. Die Hingabe an die Rose ist vielleicht das wirksamste Gegenmittel zur Ausbeutung dieser Erde und ihrer Menschen. Die Unicorn Camps entstanden auf gemeinschaftliche und eigenverantwortliche Weise in den achtziger Jahren in England. Die Eigenschaften des „Unicorns“ des Einhorns, inspirieren die Menschen, die diese Camps gründeten und auch alle Menschen groß und klein, die sie über die vielen Jahre besuchten. Das Einhorn verbindet unsere irdische Welt mit den unsichtbaren geistigen Welten - es ist einfühlsam, einfach, kraftvoll, sanft und heilsam, neugierig, wild und frei. Raaja Fischer brachte die Idee vor acht Jahren mit nach Deutschland.
Die Camps sind stromfrei, drogenfrei. Ca. 200 Erwachsene und 80 Kinder und Jugendliche treffen sich jeden Sommer in kleinen Zeltkreisen mit Feuerstelle, die alle zusammen eine bunte Dorfgemeinschaft auf freiem Feld ergeben. Stimm- und Tanzlehrer aus verschiedenen Traditionen und Ländern arbeiten in Zelten oder unter freiem Himmel. Auf die Integration von Kindern und Jugendlichen wird großen Wert gelegt. In der allmorgendlichen gemeinsamen Familytime werden Friedenstänze getanzt, gesungen, musiziert und spirituelle Geschichten der verschiedenen Traditionen als Mitmachtheater aufgeführt. Parallel zu den Erwachsenenworkshops (Afrikanischer Tanz, Sufitanz, Tänze des Universellen Friedens, Kreistänze, die 5 Rhythmen nach Gabrielle Roth und viele viele Singworkshops) gibt es das Kinder- und Jugendprogramm mit Friedenstänzen, Märchenstunde, Sportangebote, Taekwon Do u.v.m