Vor Jahren habe sie einen singenden Rabbiner in einem Film gesehen, so Rhamana Dziubany. Zu dessen einstigem Schüler Yehoshua Witt pflegt sie eine enge Freundschaft. Oderberger Schülern berichtet der Rabbi vom Judentum und, warum es keine Religion ist.
Shlomo Carlebach war sein Lehrer. Yehoshua Witt erfuhr bei dem deutsch-amerikanischen Rabbiner, der für seinen religiösen Folkrock bekannt war, alles über die jüdische Tradition, was er heute selbst weitergibt. Der 64-Jährige ist selbst Rabbiner geworden. Auf Einladung von Rhamana Dziubany, die in Golzow die Bildungswerkstatt Berlin-Brandenburg führt, ist er an der Grundschule in Oderberg zu Gast.
Der sechsten Klasse bringt er dort das Leben als Jude näher und trifft auf gut informierte Schüler, wie er am Ende sagt.
Yehoshua Witt ist in Chicago geboren. Bis zu seinem 19. Lebensjahr hat er dort gelebt, danach verbrachte er die meiste Zeit in Israel. Vor 15 Jahren hat er sich seiner Frau zu Liebe in Wien niedergelassen. Deshalb, so erklärt er den Kindern, wird er ihnen in englischer Sprache berichten. "Oh", sagt jemand unter den Schülern. "Keine Sorge", ergreift Rhamana Dziubany das Wort, "ich werde übersetzen." Bei einer Veranstaltung in Zürich haben sich der Rabbi und Rhamana Dziubany einst kennengelernt. Auch damals sollte sie für ihn ins Deutsche übersetzen. "Daraus ist eine enge Freundschaft entstanden", sagt die pädagogische Leiterin.
"Nach unserer Tradition sind wir keine Religion", erklärt Yehoshua Witt den Schülern. Er sehe das Judentum als eine große Familie. Auch Jesus sei Jude gewesen. Auch unter heute bekannten Schauspielern gebe es welche. Beispielsweise Natalie Portman oder Ben Stiller.
Was die Schüler über Juden wissen, fragt Witt. "Sie wurden von den Deutschen verfolgt und in Konzentrationslager gesteckt", antwortet ein Junge. "Ja, das ist richtig", sagt Rabbi Witt. "Zwei Millionen Menschen wurden getötet", ergänzt ein anderer Schüler. Der Rabbi habe Angst, dass dieser Teil der Geschichte alles ist, was über Juden gelehrt wird.
Vor dem zweiten Weltkrieg habe es etwa 600 000 Juden in Deutschland gegeben, so Yehoshua Witt. Seit mehr als 2000 Jahren leben sie schon dort. "Sie stellten einen wichtigen Teil der Gesellschaft dar", so der Rabbi.
Einen elementaren Unterschied zur heiligen Schrift der Juden, die wie bei den Christen auf der Bibel basiert, will er den Jungen und Mädchen noch erläutern. Christen unterscheiden die Bibel nach dem Neuen und dem Alten Testament. Im jüdischen Glauben allerdings gibt es nur das Alte Testament - den Tanach. Der erste Teil des Tanach besteht aus den fünf Bücher Moses - der Tora.
Wie denn jemand Jude werden kann, möchte ein Schüler wissen. "Wenn du ein Teil werden willst, dann sagt Gott, o. k., du kannst Teil unseres Stammes werden", sagt Witt. Er sei übrigens sehr beeindruckt von den Fragen der Schüler: "Ihr seid wirklich klug und interessiert."
In seiner Aufgabe als Rabbi habe er mehr studiert, als andere Juden, so Witt. Und er inspiriere Menschen, an Gott zu glauben. Abschließend bekommen die Schüler ein Gefühl dafür, welche Rolle Musik und Tanz im Judentum spielt. Rabbi Witt bläst das Schofar-Horn, ein traditionelles Musikinstrument. Rhamana Dziubany singt mit den Kindern ein jüdisches Lied und zeigt ihnen ein paar traditionelle Tanzschritte dazu.
MOZ 14.06.2017
Ein Artikel von Julia Lehmann
https://www.moz.de/lokales/eberswalde/ein-rabbi-in-oderberg-48642028.html